Flüchtlingskrise als Wahlkampfthema

Was sagt Martin Schulz?

Die Zahl der Flüchtlinge, die aus Afrika über das Mittelmeer nach Europa kommen, steigt. Italien hat bislang am stärksten mit den Folgen zu kämpfen, fühlt sich von der EU allein gelassen und droht mit der Erteilung von Visa. Bahnt sich eine neue Flüchtlingskrise an? Martin Schulz sieht es so und macht sie zum Thema im anstehenden Bundestagswahlkampf.

In einem Beitrag in der Bild am Sonntag wird er mit den Worten zitiert:

2015 kamen über eine Million Flüchtlinge nach Deutschland – weitgehend unkontrolliert. Damals öffnete die Kanzlerin die Grenzen nach Österreich […] aber ohne Absprache mit unseren Partnern in Europa. Wenn wir jetzt nicht handeln, droht sich die Situation zu wiederholen.

Herr Schulz hat Recht: Die Flüchtlinge kamen meist unkontrolliert nach Deutschland. Eine Absprache mit den übrigen EU-Mitgliedsstaaten erfolgte größtenteils nicht.

Was allerdings nicht korrekt ist: Frau Merkel hat die Grenzen nach Österreich seinerzeit nicht geöffnet, sie waren offen. Aus welchen Gründen formuliert er an dieser Stelle vorwurfsvoll?

Hätte sie die Grenzen schließen sollen? Hätte er die Grenzen geschlossen, wenn er Kanzler gewesen wäre? Würde er sie schließen, wenn er Kanzler wird und es zu einer Zuspitzung der Flüchtlingskrise kommt? Mit welchen Maßnahmen hätte er eine kontrollierte Einreise sicherstellen wollen? Was erwartet er von den EU-Partnern?

Martin Schulz gibt sich als bekennender und überzeugter Europäer. In Flüchtlingsfragen fordert er von allen EU-Staaten uneingeschränkte Solidarität und eine faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas. Funktioniert das nicht, wird er zornig. Im Stile Trumps lässt er per Twitter verkünden, dass Deutschland dann Zahlungen an die EU einstellen werde: BASTA!

Screenshot: Martin Schulz Abhängigkeit deutscher Zahlungen an EU in Flüchtlingskrise (www.twitter.de)
Screenshot: Martin Schulz: Abhängigkeit deutscher Zahlungen an EU (www.twitter.de)

Von Twitter vor einer Woche nun wieder zurück zur Bild am Sonntag von heute.

Um die Situation in Italien schnell zu entschärfen, schlägt Schulz vor, dass andere EU-Länder Italien Flüchtlinge abnehmen sollen und dafür im Gegenzug von der EU-Kommission Geld bekommen. Deutschland soll sich allerdings nicht beteiligen müssen, denn – so Schulz:

Jetzt sind die anderen EU-Mitgliedsstaaten dran.

Aha, (bezahlte) Solidarität von den anderen einfordern, sich selbst aber nicht solidarisch verhalten wollen. Und wenn nicht alle nach den selbst definierten Spielregeln spielen, gibt es kein Geld mehr. Meinen Sie das ernst, Herr Schulz?

Selbst wenn alle Mitgliedsstaaten mitspielen würden und die Verteilung der Flüchtlinge funktionieren würde, es gäbe noch eine Frage, die nicht in den Regeln enthalten ist: Innerhalb Europas sind die Grenzen offen. Wie will Schulz verhindern, dass die verteilten Flüchtlinge sich nicht anschließend auf den Weg nach Deutschland machen? Die Grenzen Deutschlands doch schließen?